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Von Stubenberg nach Berlin für die Diplomatie: Christian Klein arbeitet beim Auswärtigen Amt

Christian Klein arbeitet im Auswärtigen Amt. Im Gespräch erzählt er von seinen bisherigen Stationen im Kosovo und in Brüssel, von den Herausforderungen, die diese Arbeit mit sich bringt, und von seiner Tätigkeit als Leiter des Referats für EU-Koordinierung.

 

Herr Klein, wie trinken Sie Ihren Kaffee?
Ich trinke ihn mit einem Schuss Milch und gelegentlich auch mit etwas Zucker.

Sie leben seit vielen Jahren in Berlin, kommen Sie noch öfters in ihre Heimat nach Stubenberg?
Zuletzt war ich dort im Januar, zum 90. Geburtstag meines Vaters. Ich versuche schon, alle paar Monate zu Besuch zu kommen, meistens in den Berliner Schulferien, weil dann auch meine Tochter Zeit hat. Die freut sich immer sehr, wenn sie ihren Opa in Bayern sehen kann. Die anderen Großeltern leben in Madrid in Spanien.

Von Stubenberg nach Berlin: Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Mein Vater war beruflich viel unterwegs, er hat auch international gearbeitet. Dadurch habe ich das Interesse für andere Länder und Kulturen von der Kinderstube an mitbekommen. Vor allem der Kontakt zu Spanien hat unsere Familie geprägt. Während meines Jurastudiums in Regensburg ging ich mit dem Erasmus-Programm für zwei Auslandssemester nach Madrid, dort habe ich auch meine Frau kennengelernt. In meiner Zeit als Rechtsreferendar war ich für einige Zeit an der Deutschen Botschaft in La Paz, Bolivien, tätig. Ich bekam Einblick in die spannende Welt der diplomatischen Beziehungen. Diese Erfahrung war für mich ein Schlüsselerlebnis: Ich wusste, dass eine Tätigkeit im Auswärtigen Amt für mich ein Traumjob wäre. Daher habe ich mich beworben und 2002 – ich war damals 29 Jahre alt – angefangen, dort zu arbeiten.


Als was haben Sie dort angefangen?
Nach der einjährigen Attaché-Ausbildung (Anm. d. Red.: Vorbereitungsdienst) habe ich zuerst als stellvertretender Ausbildungsleiter für den höheren Dienst gearbeitet. Ich habe die Ausbildung betreut, bin zu Hochschulen in ganz Deutschland gefahren und habe die Arbeit im Auswärtigen Amt, die Zugangsvoraussetzungen und das Auswahlverfahren vorgestellt.

Was sind denn unter anderem die Zugangsvoraussetzungen für das Auswärtige Amt?
Man muss zunächst einmal ein abgeschlossenes Hochschulstudium vorweisen können. Das muss nicht unbedingt Jura oder Politikwissenschaften sein, auch BWL, VWL oder Kulturraumstudien sind Fächer, die einen guten Hintergrund bilden. Aber es gibt bei uns durchaus auch Physikerinnen, Biologen, Medizinerinnen und viele weitere Fachrichtungen. Alle Bewerber müssen aber ein ausgeprägtes Interesse für andere Sprachen und Kulturen sowie Freude an der großen Themenvielfalt haben.
 

Wo liegt der Schwerpunkt im Auswärtigen Amt?
Die Tätigkeiten sind vielschichtig: Außen- und Sicherheitspolitik, Europapolitik, Wirtschaft und nachhaltige Entwicklung sowie die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik – das sind kurz gesagt die Kernthemen. Gerade ein Land wie Deutschland hat ein starkes Interesse, in der Welt gut vernetzt zu sein, sowohl die Politik wie auch die Wirtschaft.


Was folgte auf Ihre einjährige Tätigkeit als stellvertretender Ausbildungsleiter?
Ich ging danach für drei Jahre nach Brüssel zur deutschen Ständigen Vertretung bei der EU. Danach wurde ich wieder nach Berlin beordert und arbeitete im Pressereferat. Das war die Zeit als Frank-Walter Steinmeier seine erste Amtszeit als Bundesaußenminister hatte. Mein inhaltlicher Schwerpunkt als Fachsprecher lag erneut auf Europa. Weitere Themen waren die Vereinten Nationen, internationale Wirtschaftsfragen, aber auch die Beziehungen zu Lateinamerika. Durch die vielen Kontakte zur Hauptstadtpresse und zu internationalen Korrespondenten war diese Zeit sehr spannend.


Wie ging es dann weiter?
Es folgte ein Jahr im Kosovo als stellv. Botschafter. In dieser Zeit habe ich zum Beispiel bei Abwesenheit des Botschafters die Leitung der Auslandsvertretung übernommen. Auch habe ich Wirtschaftsfragen und die bilaterale Entwicklungspolitik zwischen Deutschland und Kosovo intensiv betreut. Vor zwölf Jahren, als ich dort war, hatte das Land noch sehr viel Aufholbedarf. Deutschland hat sich mit vielen Initiativen eingesetzt, um das Land und die Regierung in Pristina zu unterstützen, zum Beispiel im Bildungsbereich oder beim Aufbau einer sauberen Energie- und Wasserversorgung. Als Volljurist durfte ich zudem die Rechts- und Konsulatsabteilung der Botschaft leiten.
 

Dann ging es für Sie zurück nach Berlin?
Genau. Dort habe ich als Persönlicher Referent die Büroleitung des Staatssekretärs übernommen. Die Staatssekretäre sind die höchsten Beamten im Haus. Sie unterstützen den jeweiligen Minister bzw. die Ministerin bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben und lenken alle wesentlichen Arbeiten im Haus. Meine Tätigkeit als Büroleiter war es, den Staatssekretär optimal auf seine Termine vorzubereiten, ihn mit allen aktuellen Informationen auszustatten und die enge Abstimmung mit den Abteilungen und dem Ministerbüro sicherzustellen. Außerdem begleitete ich ihn manchmal auf Reisen. Da es Ende 2013 auch einen Regierungswechsel gab, habe ich am Ende das Büro von zwei Staatssekretären geleitet. Meine Zeit dort endete Mitte 2015.


Es folgte ein etwas ungewöhnlicher Schritt ...
Ich habe dann etwas gemacht, was im Auswärtigen Amt nicht so richtig üblich ist: Ich habe mich für einige Jahre für eine Tätigkeit in einem Unternehmen beurlauben lassen. Ich habe für vier Jahre für die Siemens AG gearbeitet und den Bereich der Regierungsbeziehungen betreut. Nicht ganz ein Jahr lang habe ich das Government Affairs-Büro des Unternehmens in Brüssel geleitet. Wegen meines beruflichen Hintergrundes in der Diplomatie wurde ich dann vom Konzernvorstand gebeten, das Unternehmen bei einer neuen Geschäftsinitiative in Afrika zu unterstützen. Im Kern ging es darum, die verschiedenen Geschäftsbereiche des Konzerns bei der Entwicklung und dem Hochlauf der Geschäfte in verschiedenen Ländern Afrikas zu unterstützen. Das war für mich eine unglaublich spannende und interkulturell sehr lehrreiche Erfahrung.

Was hat Sie zu diesem Schritt, eine Zeit lang in der Wirtschaft zu arbeiten, bewogen?
Es war für mich klar, dass ich – wenn ich irgendwann die Verantwortung übernehme, Deutschland im Ausland als Botschafter zu vertreten – jenseits meiner juristischen Kenntnisse noch mehr darüber wissen sollte, wie deutsche Unternehmen arbeiten und welche Unterstützung sie auf ihrem Weg in neue Märkte brauchen. Ich bemühte mich also um ganz konkrete Einblicke, wie die deutsche Außenwirtschaftsförderung möglichst optimal gestaltet werden kann. Der Kompetenzaufbau und Wissenstransfer zwischen Wirtschaft und Auswärtigem Amt wird auch von diesem unterstützt, sodass ich für meine Tätigkeit bei Siemens beurlaubt wurde.


Besteht bei den deutschen Unternehmen Nachholbedarf?
Da muss man differenzieren. Viele deutsche Unternehmen sind grundsätzlich sehr international unterwegs. Es gibt aber Regionen, in denen sie nicht so vertreten sind, wie sie es sein könnten. Afrika gehört dazu. Deutsche Unternehmen sind in den allermeisten afrikanischen Ländern sehr gern gesehen, sie gelten als höchst zuverlässig und hoch qualitativ. Aber auch als vorsichtige Kaufleute, die mögliche Geschäftsrisiken sehr sorgfältig abwägen. Da geht es weniger um den schnellen Gewinn, sondern um die langfristige Entwicklungsperspektive. Das sind häufig schwierige Prognosen, die da zu machen sind in puncto Marktentwicklung, Wettbewerb, aber auch sichere Rahmenbedingungen.
 

Wie ging es dann nach Jahren in der Wirtschaft für Sie weiter?
2019 bin ich zurück ins Auswärtige Amt in die Europa-Abteilung. Das war mein ausdrücklicher Wunsch. Man könnte durchaus sagen: Ich bin glühender Europäer. Und ich bin überzeugt, dass Deutschland durch die europäische Integration und seine aktive Mitarbeit bei der Gestaltung der europäischen Politik sehr viel für sich, aber auch für seine Partner in der EU erreichen kann. Daher hat es mich sehr gefreut, als ich die Zusage für die Leitung des Grundsatzreferats für die EU-Koordinierung bekomme habe.


Welche Aufgaben haben Sie in dieser Position inne?
Im Kern geht es darum, der Stimme Deutschlands im Rat der EU möglichst zur Geltung zur verhelfen und im Kreis der EU-Mitgliedstaaten tragfähige Kompromisse zu schmieden. In Brüssel an unserer Ständigen Vertretung sitzen viele erfahrene Kollegen, die die deutschen Interessen im Rat, gegenüber der EU-Kommission und dem Europäischen Parlament vertreten. Flapsig gesagt können sich Kollegen ihre Verhandlungsposition aber ja nicht einfach selbst ausdenken. Sie brauchen etwas, was im Beamtendeutsch „Weisung“ heißt, also eine möglichst präzise Position der Bundesregierung zu einer politischen Frage. Mit der Weisung bekommen sie eine politische Linie, die sie in Brüssel zu vertreten haben. Diese Weisungen für zentrale europäische Themen werden von meinem Referat erstellt und unter den Ministerien abgestimmt.


Wie kann man sich das genau vorstellen?
Angenommen, die Unterstützungsleistungen der EU für die Ukraine stehen auf der Tagesordnung. Dazu soll ein Beschluss gefasst werden. Das zuständige Referat in der politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes erstellt zu dieser Frage einen Weisungsentwurf, zu dem alle Ministerien ihre Zustimmung erteilen müssen. Der Entwurf geht dann zum Beispiel an das Finanzministerium. Auch von dort muss eine Zustimmung kommen. Als Koordinierungsreferat achten wir darauf, dass alles zeitnah geschieht und der Inhalt so präzise wie möglich ist. Im Idealfall läuft alles glatt und schnell. Doch nicht selten passiert es, dass sich die Ministerien zu einer politischen Frage nicht ganz einig sind. Dann kommen Koordinierungsreferate, wie meines, ins Spiel, die versuchen zu helfen, Kompromisslösungen zu finden. In der EU-Koordinierung stellen wir sicher, dass die Bundesregierung in Brüssel sprech- und handlungsfähig ist und wir als Deutschland unsere Interessen erfolgreich einbringen und im Rat gehört werden. Das gelingt häufig, aber eben auch nicht immer. Die Mitgliedstaaten haben eben unterschiedliche Interessen und Positionen. Dann ist die „Kompromissmaschine EU“ gefragt. Sie ist kein Konstrukt, in dem ein Mitgliedsstaat immer hundert Prozent bekommt – und das sollte auch gar nicht das Ziel sein. Es ist alles sehr vielschichtig und komplex und der Austausch unter den Mitgliedstaaten ermöglicht einen Perspektivwechsel. Was ich besonders spannend finde, ist, dass wir sowohl „nach innen“, also mit den Ministerien der Bundesregierung arbeiten, als auch „nach außen“, also hinein in die EU-Institutionen.


Welche Vorteile birgt die EU für die Zukunft?
Themen, die uns beschäftigen – wie Klimawandel und sichere Energieversorgung, der Umgang mit globalen Wettbewerbsfragen – kann ein Land wie Deutschland über seine wirtschaftliche und finanzielle Stärke und sein politisches Gewicht versuchen, in seine Richtung zu beeinflussen. Jedoch hat natürlich kein Land Europas denselben Einfluss, den die EU als Ganzes hat. Innerhalb der EU haben wir einen Binnenmarkt, ein gemeinsames Regelwerk, Qualitätsstandards, gemeinsame Werte, die es ermöglichen, gemeinsame Ziele und Interessen global zu vertreten. Die EU ist der Handlungsrahmen, mit dem wir sicherstellen, dass wir trotz aller Konkurrenz aus etwa China und Indien weiterhin wettbewerbsfähig sind. Ich bin daher überzeugt: Wenn es die EU nicht geben würde, müsste man sie erfinden. Sie hat uns als Deutschland bereits über viele Jahrzehnte Frieden, Sicherheit und Wohlstand gebracht.


Haben Sie auch Berührungspunkte mit dem Krieg in der Ukraine?
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ist ein Thema, was uns an fast allen Stellen im Auswärtigen Amt beschäftigt. Alles, was an Unterstützung für die Ukraine durch die EU auf den Weg gebracht wird, läuft durch die von uns betreuten Ratsgremien. Das betrifft die finanzielle und humanitäre Hilfe, die Fragen des künftigen Wiederaufbaus und die der politischen und militärischen Unterstützung der EU.

Welche Herausforderungen bringt Ihr Beruf mit sich?
Die häufigen Wechsel, die den Lebensmittelpunkt betreffen, sind im diplomatischen Dienst schon herausfordernd. Das gilt besonders für die Familie und Freunde. Sie sieht man viel weniger, manche Verbindung verliert sich über die Jahre, die man im Ausland verbringt. Man selbst hat im Ausland natürlich immer den Kreis der Kollegen, auf den man sich stützen kann. Aber natürlich ist es mindestens genauso wichtig, dass es der eigenen Familie, die mit ins Ausland gegangen ist, auch gut geht. Die Kinder müssen sich z.B. in der neuen Schule zurechtfinden. Es gilt neue Freunde zu finden, das jeweilige Gastland zu erkunden, Hobbys zu finden. Das sind sehr viele Veränderungen und schon deshalb herausfordernde Zeiten. Aber meine Frau und ich haben die bisherigen Auslandsaufenthalte in guter Erinnerung gehalten.
 

Es werden vermutlich noch einige folgen.
Ja, das ist so. Meine Familie ist da grundsätzlich auch sehr offen. Ich wünsche mir, dass ich unsere Tochter auch dafür gewinnen kann und es vor allem auch für sie eine gute Zeit im Ausland wird, in der sie sich kulturell und sprachlich weiterentwickeln kann. Ich selbst habe keinen konkreten Plan, wo es hingehen soll. Leiter einer Auslandsvertretung ist im höheren Dienst das Karriereziel. Es könnte also durchaus in den nächsten Jahren soweit sein.


Wie viele Sprachen sprechen Sie?
Die Sprachen Englisch, Spanisch und Französisch jeweils verhandlungssicher. Grundkenntnisse habe ich in Albanisch und Italienisch.

Was machen Sie in der Freizeit?
Der Job verlangt sehr viel zeitliches Engagement und ist mit normalen Bürozeiten nicht vereinbar. Habe ich mal Zeit für mich, verbringe ich sie mit meiner Familie: Wir machen Sport oder gehen ins Museum und ins Theater. Die Stadt bietet ja sehr viel.

Fühlen Sie sich Ihrer Heimat nach wie vor verbunden?
Auch wenn ich in Berlin lebe und viel im und mit dem Ausland beschäftigt bin, so verbinde ich das Heimatgefühl mit Bayern. Ich bin leider viel zu selten dort. Wenn man weg ist, sieht man gewisse Dinge viel intensiver: die schöne Landschaft, die bayerische Mundart, die ich leider verloren habe, die Traditionen. Ich blicke voller Dankbarkeit auf die Zeit im Landkreis zurück.
 

Christian Klein zog mit seiner Familie in Kinderjahren in den Landkreis Rottal-Inn. Zuerst besuchte er die Grundschule in Julbach, ehe er seine Schullaufbahn am Tassilo-Gymnasium weiterführte. Nach dem Abitur zog er nach Regensburg, um dort Jura zu studieren. Während seines Rechtswissenschaftsreferendariats war der heute 49-Jährige für einige Monate an der deutschen Botschaft in La Paz (Bolivien) tätig. Dort ist sein Berufswunsch für eine Laufbahn im Höheren Auswärtigen Dienst entstanden. Seit 2002 arbeitet er für das Auswärtige Amt. Er lebt mit seiner Frau und seiner Tochter in Berlin.

Quelle: PNP

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Veröffentlichung

Fr, 10. März 2023

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